Ein Leben für den Tourismus

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Eppan bald zu einem der beliebtesten Urlaubsziele Südtirols. Möglich gemacht haben diese Entwicklung einige lokale Tourismuspioniere.
 
In den 1950er-Jahren beginnt, wie überall in Südtirol, die dritte Phase im Tourismus, bedingt vor allem durch das Wirtschaftswunder in Deutschland, woher die meisten Urlauber kamen. Der Grundstein für eine touristische Entwicklung in Eppan wurde bereits mit der Gründung des „Cur- und Verschönerungsvereins“ 1872 gelegt. Die ersten Versuche Eppan als attraktiven Kurort zu bewerben – ähnlich wie Meran – wurden durch weltbewegende Ereignisse – Erster Weltkrieg, Teilung Tirols, Anschluss an Italien, Faschismus – zunichte gemacht. Weitere Schritte einer touristischen Aufbauarbeit in den 1920er-, 1930er-Jahren durch vorausblickende Eppaner Unternehmer waren wiederum durch die bewegte Geschichte – Wirtschaftskrise, Italienisierung Südtirols, Option und Zweiter Weltkrieg – nur ansatzweise erfolgreich. 1952 wird der Fremden- und Verschönerungsverein Eppan gegründet, später in Verkehrs- und Verschönerungsverein umbenannt, als verbindliches Werbe-Icon wird die Burg Hocheppan eingesetzt. Eppan wird weithin bekannt und ist seither eines der beliebtesten Urlaubziele in Südtirol.


KONRAD DISSERTORI war fast 40 Jahre lang im Tourismus tätig, viele Jahre davon als Direktor des Tourismusvereins.

Sie waren fast 40 Jahre unermüdlich im Tourismus tätig, in der wichtigen Aufbauphase, in den späten 1950er- und 1960er-Jahren, als es darum ging Eppan als beliebtes Urlaubsziel zu positionieren. Entsprechend lang ist die Liste Ihrer Ämter und Aufgabenbereiche. Welche Schwerpunkte haben Sie gesetzt?
Konrad Dissertori: "Ich war zuerst Obmannstellvertreter des Verkehrs- und Verschönerungsvereines und dann Direktor des Tourismusvereins, den ich bis 1993 führte. Es galt viel Aufbauarbeit zu leisten, da wir auf keine gewachsene Tourismustradition zurückgreifen konnten. Ich habe u.a. das Werbekomitee „Südtiroler Weinstraße“ gegründet, das erstmals alle Gemeinden im Überetsch und Unterland zusammenfasste. Ich habe mich aber auch für viele kleinere Belange eingesetzt, die indirekt dem Tourismus zugutekamen, wie z.B. für eine geordnete Müllabfuhr oder Pflanzung von Mandelbäumen entlang der Weinstraße, für die Verschönerung der Häuserfassaden sowie für die Rettung des kleinen Montiggler Sees oder den Bau eines Radweges von Bozen."

Sie gelten aber als Pionier besonders im Werbebereich, so wie es zur damaligen Zeit gefordert war. Was war Ihnen besonders wichtig?

Konrad Dissertori: "Es war mit wichtig, dass unsere gesegnete Gegend mit den Burgen und Ansitzen, mit den Weinbergen und Badeseen vorgestellt wird und viele Gäste sie kennenlernen. Ich habe Städte-Partnerschaften initiiert, wir haben Farbtonfilme über unsere Kulturlandschaft gedreht, Publikationen in Auftrag gegeben und ansprechendes Werbematerial gedruckt und tausende Prospekte nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz verschickt. In Zeiten ohne Internet habe ich vor allem den persönlichen Kontakt gesucht und gepflegt, mit Journalisten und Reiseveranstaltern. Ich habe Werbefahrten in die deutschsprachigen Länder mit unseren Musikkapellen, Trachtengruppen und Touristikern organisiert."

Legendär sind Ihre Diavorträge für die Gäste…
Konrad Dissertori: "Ich habe all die Jahre jeden Donnerstag bei einem Willkommensabend mit Gästeehrung einen Vortrag mit Diashow gehalten, dazu gab es auch ein Quiz mit Preisen. Nach einem kurzen Überblick über die Geschichte Südtirols wurden die Sehenswürdigkeiten Eppans und der Dörfer an der Weinstraße vorgestellt sowie Tipps für einen kurzweiligen Urlaub erteilt. Die Gäste sind immer zahlreich gekommen, es hat ihnen gut gefallen."

MICHAEL EISENSTECKEN war Besitzer des traditionsreichen Gasthofs Steinegger, den er jetzt an die Nachkommen übergeben hat.


Sie waren Besitzer eines typischen Eppaner Traditionsgasthofes, den Sie jetzt an die Nachkommen übergeben haben. Der Gasthof Steinegger war seit 1883 ein beliebtes Ausflugsziel, vor allem für Wanderer und Tagesgäste aus Bozen. Bei der Übernahme des Betriebes waren Sie ein junger Bauer. Sie haben die Zeichen der Zeit erkannt und den „Steinegger“ zu einem beachtlichen Beherbergungsbetrieb mit Restaurant ausgebaut. Welches waren die Herausforderungen in diesen Pionierzeiten des Tourismus?
Michael Eisenstecken: "Wir hatten nach dem Krieg bereits ein paar Zufallsgäste, aber es kamen immer mehr Anfragen, vielleicht auch wegen der günstigen Lage des Betriebes mit schöner Aussicht. Die Zeiten waren hart, aber ich konnte meine Eltern überzeugen, ein Grundstück zu verkaufen, um in den Ausbau zu investieren. Zuerst waren es nur 16 Betten, dann wurde das Dachgeschoss ausgebaut, später kam noch eine Dependance dazu. Die Zimmer waren von Ostern bis November gut gebucht. Als Unternehmer musste ich am Ball bleiben. Dies gilt auch heute noch, mehr denn je. Ich habe immerzu erneuert, umgebaut, ausgebaut, stets den Ansprüchen der Gäste voraus: Die ersten Zimmer waren alle mit fließend Kalt- und Warmwasser, später mit eigener Dusche und Bad, dann kam das Schwimmbad hinzu, sodann ein Hallenbad, Tiefgarage usw."

Sie waren auch in verschiedenen öffentlichen Gremien, auf Gemeinde- und Landesebene tätig. Was hat Sie dazu bewogen?
Michael Eisenstecken: "Als politisch denkender Mensch und Unternehmer muss man sich auch für die Gemeinschaft einsetzen. Wir waren damals in der Aufbauphase im Tourismus. Die Gesellschaft in Südtirol war noch vorwiegend von der Landwirtschaft geprägt und die allgemeine Gesinnung nicht unbedingt dem aufkommendem Tourismus zugetan. Es galt, dem Gastgewerbe allgemein mehr politisches Gewicht zu geben. Ich war Gründungsmitglied des Wirtschaftsausschusses, des Südtiroler Gastgewerbevereines und der erste Obmann in Eppan, Eppaner Gemeinderat, Mitglied in der dortigen Baukommission und 20 Jahre Vertreter des Gastgewerbes in der Landesraumordungskommission. Mit Sitz und Stimme konnte man doch einiges für den Tourismus bewegen."

 
 
 
vorne v.l.n.r.: Michael Eisenstecken, Gisela Waldthaler Moser
hinten: Josefine Sparer v. Call, Konrad Dissertori

GISELA WALDTHALER MOSER und ihr verstorbener Mann zählen zu den Hotelpionieren in Eppan.

Sie und ihr verstorbener Mann zählen in Eppan zu den Pionieren in der Hotellerie. Sie haben bereits in den 50e-Jahren ein Hotel mit 60 Betten am Montiggler See gebaut. Ihre drei Söhne sind alle in die Hotelbranche eingestiegen und besitzen heute ein Hotel in der gehobenen fünf bzw. 4-S Kategorie. Wie kam es dazu?
Gisela Waldthaler Moser: "Mein Mann war eigentlich im Holzhandel tätig. Vor unserer Heirat stand am Montiggler See ein kleines Bauernhaushaus zum Verkauf. Wir beschlossen dieses Haus zu einem Hotel umzubauen, damals war das noch möglich. Wir wollten aber schon gleich einen Betrieb mit Vollpension und so vielen Betten, dass ein Reisebus untergebracht werden konnte. Die ersten Jahre haben wir mit dem ADAC zusammengearbeitet, aber schon bald kamen viele Einzelgäste und wurden Stammgäste. Bestimmte Kenntnisse über die Hotelführung hatte ich mir vor unserer Hochzeit im Hotel Greif in Bozen angeeignet. Wir haben fleißig gearbeitet, die Zeiten wurden immer besser, so konnte das Hotel mehrmals erweitert und den neuen Bedürfnissen angepasst werden. Ich war vorwiegend in der Küche tätig, war aber auch gerne in der Hotelbar oder Rezeption, um mit den Gästen direkten Kontakt zu haben. Es ist wichtig, für die Gäste da zu sein, ihre Wünsche zu erfüllen. Manchmal habe ich auch noch um Mitternacht für die Gäste etwas gekocht, wenn sie spät angekommen sind. Ich war immer die Erste beim Aufstehen und die Letzte beim Zubettgehen."

In den 1980er Jahren haben Sie zuerst das Hotel Seeleiten in Kaltern und später das Hotel Weinegg in Girlan für ihre Söhne erworben. Wie kommt es, dass alle drei Söhne in die Hotelbranche eingestiegen sind, wo andernorts die Jungen oft andere Berufe ergreifen?
Gisela Waldthaler Moser: "Im Hotelwesen oder Gastgewerbe allgemein zu arbeiten ist eine Berufung, man muss Freude haben und diese haben wir versucht an unsere Söhne weiterzugeben. Sie müsse natürlich auch mit einbezogen werden und mitentscheiden dürfen. Begeisterung, Vertrauen, Zusammenhalt und Fleiß sind wichtig. Man muss auch den Zeitgeist erkennen, vorausahnen und wissen, was machbar ist, und immer wieder investieren, was ich seit einigen Jahren aber meinen Söhnen überlassen habe."

JOSEFINE SPARER V. CALL vermietet seit Ende der 1950er-Jahre Privatzimmer. Zusammen mit Matthias Walcher (Gründungsmitglied und erster Obmann des Verbandes der Privatzimmervermieter VPS) war sie treibende Kraft für den Berufsstand der Privatzimmervermieter.

Die Privatzimmervermietung war der Zweig in der Fremdenverkehrswirtschaft, der bis in die 90er-Jahre am meisten Zuwachs hatte. Der Eppaner Matthias Walcher (2004 verstorben) und Sie waren seit Beginn als Privatzimmervermieter tätig und haben deren Interessen vertreten. Wie waren sie organisiert? Welches waren ihre Anliegen?
Josefine Sparer v. Call: "Matthias Walcher war Gründungsmitglied, Präsident und Ehrenobmann des VPS (Verband der Privatzimmervermieter) und erster Obmann in Eppan. Ich war im Bezirksverband und sodann als Obfrau tätig. Als Vermieter waren wir die größte Kategorie, aber vorwiegend nur als Kleinbetriebe ausgerichtet. In den Bereichen Fortbildung oder Versicherung für die Mitglieder, Steuern und anderer gesetzlicher Maßnahmen, aber auch auf dem Gebiet der Werbung und Vermarktung konnten wir gebündelt vieles erreichen."

Sie haben von Anfang an Zimmer vermietet. Was hat Sie und viele andere Hausbesitzer dazu bewogen? Wie waren die Anfänge?
Josefine Sparer v. Call: "Die ersten und meisten Gäste, die in den 1950er-Jahren nach Eppan kamen, haben in Privatzimmern ihren Urlaub verbracht, da dies günstiger war und es in Eppan auch noch nicht viele Hotels gab. Viele Gäste haben auch den Familienanschluss gesucht. Die private Stube oder Küche wurde selbstverständlich mit den Gästen geteilt, ebenso das Bad, anfangs gab es meist nur ein Waschbecken im Zimmer. Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Die Vermietung von Zimmern war vor allem ein willkommener Zuerwerb und ein eigenes Einkommen für die Frauen. Die Männer waren in der Landwirtschaft tätig oder hatten andere Berufe."

Was hat sich seitdem geändert?
Josefine Sparer v. Call: "Ich denke, der Gast ist anspruchsvoller geworden. Selbst bei der Buchung muss es schnell gehen, alles läuft übers Internet, täglich. Wir bekommen heute kaum mehr Post oder Telefonanrufe mit Zimmeranfragen. Viele Privatzimmervermieter sind auch umgestiegen auf Ferienwohnungen, diese sind heute mehr gefragt, besonders bei Familien."

Text und Interview: Walburga Kössler

 
 
Veröffentlicht am 23.01.2017
 
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Walburga Kössler ist Kunsthistorikerin, Autorin und ehemalige Referentin für Kultur und Bauwesen in der Gemeinde Eppan. Derzeit arbeitet sie an einem Buch über den Tourismus in Eppan.
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